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Praktikumsbericht:
Politik in Deutschland - einen persönlichen Rückblick

Im Frühjahr bis Sommer 2005 hatte ich durch ein Stipendium die Chance, das parlamentarische Leben in einem ausländischen Parlament unmittelbar verfolgen zu dürfen. Diese Möglichkeit war für mich ein Zeichen von Reife deutscher Politik sowie von einer starken Entwicklung der Demokratie. Die Ereignisse der vergangenen Monate haben diese Prämisse in jeder Hinsicht gestärkt.

Eine Beobachtung, die mir in den westlichen Demokratien besonders aufgefallen ist, ist das unglaublich hohe Ausmaß von Zynismus der Bürger gegenüber Politik im Allgemeinen und ihren Politikern im Besonderen.
Ich komme aus einem Land, in dem Korruption in allen Bereichen der Zivilgesellschaft wie zum Beispiel in Schulen, Krankenhäusern, Verwaltungen und der Polizei vorherrscht, einem Land also, in dem Käuflichkeit und Selbstbereicherung ebenso zum politischen Tagesgeschäft gehören wie die undurchsichtigen und geheimen Abschlüsse von Geschäften hinter verschlossenen Türen.
Die rumänische Ableitung „chiverniseala“ des griechischen Wortes „kiverno“, das „regieren“ bedeutet, heißt ins Rumänische übersetzt soviel wie „reich werden“.

Es war für mich ungemein interessant und bereichernd zugleich, in einem Umfeld zu leben und zu arbeiten, das mir einen bis dahin nicht bekannten Glauben vermittelte: dass nämlich Politik wirklich offen, transparent wie professionell betrieben wird und auf einer moralischen Ethik basiert, die von den meisten Bürgern verstanden und von den meisten Politikern verkörpert wird.
Der Ort, wo ich die meiste Zeit verbracht habe, waren die Gebäude, die zum Deutschen Bundestag gehören und die das Reichstagsgebäude umgeben. Ich erinnere mich noch sehr lebhaft an den Moment, als ich die riesige Kuppel, die aus der Mitte des im viktorianischen Stil gebauten Reichstagsgebäudes hervorragt, zum ersten Mal sah.
Die von Sir Norman Foster vorwiegend aus Glas und leichtem Stahl vorgenommenen Restaurierungen, die das Reichstagsgebäude erweitern, hatten zum Ziel, das schwere, aus Stein erbaute Bauwerk in Balance zu halten und zugleich Transparenz und Offenheit zu symbolisieren und somit in einen Gegensatz zum autokratischen, heimlichen und monströsen politischen System der Vergangenheit zu treten.
Zumindest sind dies die Erklärungen, die der Mitarbeiter des Öffentlichkeitsdienstes des Bundestages beim meinem ersten Besuch sagte. Ich muss zugeben, ich war sehr skeptisch – Rumänen haben ein natürliches, historisches und kulturelles Misstrauen gegenüber Symbolik, insbesondere, wenn sie von Seiten des Staates verkündet wird. Ich bin in dieser Hinsicht keine Ausnahme.

Aber das, was ich in den fünf Monaten meines Praktikums gesehen und miterlebt habe, entsprach genau dem, was mir dieser Mann erläutert hatte: Menschen, Touristen, Bürger, die frei und kostenlos den Bundestag betreten, und die die Arbeit und die Ergebnisse ihrer Demokratie aus nächster Nähe sehen können.
Stark im Herzen der deutschen Demokratie ist die Idee verankert, dass die Plenums- wie Ausschusssitzungen und Räumlichkeiten des Deutschen Bundestages den Bürgern offen stehen sollten. Allein die Tatsache, dass ich an einem Programm teilnehmen konnte, das mich direkt in die internen Abläufe eines politischen Systems einbezog und das offen für junge Menschen aus Mittel-, Süd- und Osteuropa, Frankreich und USA stand, beweist nichts anderes als Transparenz und Offenheit, die bedauerlicherweise in meinem Land fehlen.
Oft blinkt in meinem Gedächtnis ein Zitat Einsteins auf, das in riesigen Buchstaben auf der schweizerischen Botschaft, dem einzigen Gebäude zwischen Bundeskanzleramt und Paul-Löbe-Haus, gut sichtbar für alle S-Bahn Passagiere angebracht war: „Der Staat ist für den Menschen, nicht die Menschen für den Staat“. Nirgendwo konnte ich dies mehr nachvollziehen, als während meiner täglichen Arbeit im Büro eines Mitglieds des Deutschen Bundestags.
Ich konnte fast nicht glauben, wie viel Zeit und Ressourcen eingesetzt werden, um Bürgerbriefe zu beantworten – recherchieren, Fakten prüfen, sich mit viel Geduld allen möglichen Anfragen der Bürger widmen. An eine Anfrage erinnere ich mich besonders, von einer Person, die 24 Jahre lang dieselbe Partei gewählt hat und sich jetzt überlegte, die Wahloption zu wechseln. Es war nicht nur die Anstrengung, die allein diesem einen Wähler gewidmet wurde, sondern auch die Ernsthaftigkeit mit der sich dieser Wähler seine Entscheidung, sein Engagement im politischen Prozess und in der Demokratie überlegte.
Hinzu kommt die Zeit, die mein Abgeordneter mit den Besuchergruppen verbrachte sowohl im Bundestag als auch im Wahlkreis. Als ich ihn darauf ansprach, sagte er mir, dass ihm diese Gespräche sehr wichtig seien. Auf dieser Grundlage, anhand der Fragen und Eindrücke gestalte er seine Politik. Für mich stellte das ein Konzept der öffentlichen Dienstleistung dar, die in Rumänien leider (noch) nicht gegenwärtig ist.
Das System an sich ist so gestaltet, dass der Abgeordnete ein Maximum an Kontakt mit seinem Wahlkreis und den Wählern hat. Zu meiner Überraschung stellte ich fest, dass er nur zwei Wochen pro Monat in Berlin ist. Als ich der wissenschaftlichen Mitarbeiterin des Abgeordneten dazu die Frage stellte „Wann arbeitet der Abgeordnete überhaupt, wenn er nur zwei Wochen in Berlin ist?“ fühlte ich mich nach ihrer Antwort, beschämt: “Und wer soll sich um die Wähler kümmern?“ Ich merkte, dass dieser Kontakt zwischen den Bürgern und ihren Vertreter absolut wesentlich ist und dass meine ursprüngliche Vermutung völlig falsch war.
Im Gegensatz dazu sieht die Praxis in Rumänien aus, wo die Politiker höchstens einen Tag pro Woche mit den Wählern verbringen und dieser Mangel an Kontakt gefährlich sein kann. Selbst das rumänische Wahlsystem (ein System auf Listen ohne direkte Wahl eines bestimmten Kandidaten) zeigt, dass die Wähler nicht eine bestimmte Person haben, an die sie ihre Wünsche und Anliegen richten können. Das System der Wahlkreise mit direktem Mandat macht den Abgeordneten direkt verantwortlich und der Abgeordnete fühlt diese Verantwortung – ich konnte dies direkt beobachten und ich kann mir keinen rumänischen Politiker vorstellen, der bereit wäre, dasselbe zu tun.
Die besten Quellen, die besten Informationen, die drittgrößte Bibliothek der Welt, IT-Systeme, alles Dienstleistungen, die zur Unterstützung der Abgeordneten eingerichtet worden sind – diese Erfahrung war einfach überwältigend.
Gut vorbereitet und informiert zu sein, um seine Arbeit so gut wie möglich und zum maximalen Nutzen des Abgeordneten zu machen – das nenne ich professionelle Politik.
Wir haben ein Sprichwort in Rumänien: „Neamtul tace si face“ (Der Deutsche schweigt und erledigt). Ein eindeutiges Beispiel dafür ist die Art, in der der ehemalige deutsche Bundeskanzler, Gerhard Schröder, die Verantwortung für die Landtagswahlniederlage in Nordrheinwestfalen am 22 Mai 2005 übernommen hat und sofort die Mechanismen für Neuwahlen im Gang setzte. Dieser Vorgang deutete nicht nur auf eine feine politisch gestimmte Antenne (wie es sich bewiesen hat) hin, sondern auch auf die Kenntnis der Verfassungsvorschriften des Landes.
Das Problem sollte in weniger als 4 Monaten gelöst werden.
In Rumänien kamen Neuwahlen schon seit der Amtsübernahme der neuen Regierung im Dezember 2004 in Gespräch, um eine sichere Mehrheit im Parlament zu bekommen.
So kündigte der Premierminister mehrere Male an, Neuwahlen zu organisieren, ohne die Sicherheit zu haben, dass die verfassungsrechtlichen Mechanismen diesen Fall zu seinem Vorteil auslegen würden. Das verursachte großes Misstrauen und Imageverlust sowie unstabile Verhältnisse im Parlament, wo zu der Zeit wichtige Gesetze zum bevorstehenden EU- Beitritt des Landes verabschiedet werden sollten. Die rumänischen Politiker bewiesen, dass sie die Mechanismen nicht gut genug verstanden hatten, mit der Folge, dass sie nur redeten, nichts taten und ein politisches Schachmatt des Landes hervorriefen.

Zurzeit befinde ich mich wieder in Rumänien, engagiere mich weiterhin politisch und verfolge selbstverständlich das politische Geschehen in Deutschland sowie in Europa. Ich kann nur über meine Erfahrungen weiter reflektieren und hoffen, dass eines Tages auch Rumänien eine so transparente, offene, professionelle und ethisch basierte Politik haben wird wie Deutschland.

Von Maria Vasiu

Praktikantin im Rahmen des Internationalen Parlamentspraktikums 2005
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Konrad Adenauer Stiftung – Bukarest
Oktober 2005

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